Sunday, February 20, 2011

Als wir in die Cottonwood Road abbogen ...

So zeigte sich uns die Cottonwood Canyon Road
als wir in sie einbogen.
... war es noch später Vormittag, der Himmel strahlend blau mit vereinzelten Schäfchenwolken, die Straße war eine sogenannte"dirt road". "Nur passieren wenn trocken" stand es riesig auf dem Schild am Eingang zu dieser Staubpiste.

46 Meilen sind es vom US Highway 89 bis Cannonville, 46 Meilen mit Formen und Farben, für deren Beschreibung einem die Worte fehlen, die mit Nichts zu vergleichen sind. Die Abzweigung befindet sich westlich von Page zwischen den Miles-Markern 17 und 18. Das Hinweisschild ist klein und unscheinbar und leicht zu übersehen, aber das was man auf dieser "Scenic Backroad" zu sehen bekommt lohnt alle Mühen und Strapazen.

Diese matschigen Abschnitte, auch wenn sie recht selten
waren, hätten uns eine Warnung sein sollen.
Eine einzigartige Staubpiste!!! Vor lauter Staunen über die herrliche Aussicht, will keiner von uns die kleinen Anzeichen wahrnehmen, die uns auf Schritt und Tritt begegnen. Mal sind es ein paar Pfützen, mal aufgeworfene zu schnell getrocknete Erdschollen, dann wieder matschige Abschnitte, anfänglich nur ganz kurze Passagen, die aber von Mal zu Mal länger wurden und die Abstände dazwischen immer kürzer.


Noch lachen wir über den Matsch, der an der Frontscheibe und am ganzen Auto klebt und haben nur Augen für die farben- und formenprächtige Landschaft. Hinter jeder Kurve eine neue Überraschung, nach jedem Hügel den wir überqueren zeigt uns die Natur noch schönere und intensivere Farben und die bizarrsten Formen. Wir verzetteln uns mit Seitenwegen und suchen die Hoodoos, bis uns der Dreck zurückpfeift oder versuchen auf einen Berg zu fahren, von welchem aus man angeblich einen wunderbaren Blick über noch nie gesehene Farben und Formen haben soll.

Wir haben nur die Hälfte der Strecke geschafft und mussten aufgeben.
Unser Auto hat den Berg leider nicht geschafft, mir aber ganz schön Angst eingejagt, denn es blieb in einer 180°-Kurve auf nur 3 Rädern stecken und nur ganz vorsichtig konnten wir die Strecke wieder zurück fahren. So können wir nun nicht sagen, ob die gelesenen Reisebeschreibungen tatsächlich stimmen und der Ausblick tatsächlich so atemberaubend war.

Mehr als die Hälfte der Strecke liegt hinter uns. Als wir uns der Ausfahrt zum Grosvenor Arch näherten wurde der Himmel etwas dunkler und die Wolken bedrohlicher, aber es ist ein Lichtspiel, das sich jeder Fotograf nur wünschen kann. Also nahmen wir die Ausfahrt und den kleinen Umweg. Er hat sich gelohnt.

Der Grosvenor Arch links. Ab hier geht's nur noch geradeaus weiter.
Hat man den passiert hat man's geschafft.
Nach dem Grosvenor Arch sind es nur noch ein paar Meilen bis hin zur befestigten Straße und in unserer Wegbeschreibung (derer gibt es reichlich im Internet) heißt es da: "Ab hier ist die Strecke eben und gut zu befahren. Ist man am Grosvenor vorbei, hat man es geschafft."

Genau das dachten wir auch, als wir wieder zurück auf der Cottonwood Road waren. Was aber kam waren weitere unendliche Weiten mit atemberaubenden Ausblicken, dazwischen kurze gut befahrbare Streckenabschnitte, meistens ziemlich holprig aber die Farben und das Licht immer grandioser. Rechts von uns, ganz weit weg ging der Regen runter und links, immerhin hinter uns kamen die bedrohlich dunklen Wolken immer näher.

Der Himmel wird dunkler und die Wolken dichter,
aber die Farben umso grandioser
So ging's weiter Meile um Meile, bergauf und bergab (nicht ganz so eben, wie von einer Reisenden beschrieben) bis zum Hackberry Creek. Der Himmel war schon dunkelblau und ziemlich bedrohlich, aber die Farben mit nichts zu vergleichen. Am Hackberry angekommen, war für uns der Weg ganz plötzlich zu Ende. Der Creek war kein Rinnsal, wie wir es erwartet hatten, sondern ein reißender Strom. Die Tendenz wäre fallend, versicherten uns die Leute zweier Geländefahrzeuge mit Vierradantrieb und viel größer und höher als unser Auto. Gegen Mittag wären sie über ein Rinnsal von kaum 15 cm Tiefe in den Canyon gekommen und jetzt kaum drei Stunden später war es ein reißender Strom. Immerhin ist er in der letzten Stunde um mehr als 20 cm gefallen und jetzt gerade noch knietief.

Der Hackberry Creek macht uns einen Strich durch die Rechnung
Die beiden Fahrzeuge schafften eine Durchquerung und bezwangen auch den Matsch am gegenüberliegenden Ufer, das ziemlich steil bergauf ging. Leider hatte keiner ein Abschleppseil dabei (wir natürlich im Leihwagen auch nicht, denn unsere Versicherung war ja einschließlich eines kostenlosen Abschleppdienstes - allerdings hieß es da "dirt roads" ausgeschlossen). Eines der Fahrzeuge fuhr los, um aus der nahe gelegenen Ranger Station Hilfe zu holen und kam kurze Zeit danach auch mit einem Ranger zurück. Der aber konnte uns genausowenig weiterhelfen.  Sein Abschleppseil reichte nicht und ein längeres gab es auch nicht bei der Ranger Station.

Hoodos auf der Strecke
So blieben uns immerhin doch zwei Möglichkeiten, aber keine begeisterte uns. Entweder wir verbringen die Nacht im Wagen an einer höher gelegenen Stelle und hoffen, dass am nächsten Morgen der Hackberry wieder zu einem Creek zurückgeht oder wir fahren die ganze Strecke zurück und hoffen, dass diese am anderen Ende trocken ist und wir aus dem Canyon rauskommen können.

Farbkontraste, die wir so schnell nicht vergessen werden.
Nach einigem Hin und Her entschieden wir uns für die Rückfahrt. Nachdem sich der Ranger versichert hatte, dass wir genügend Proviant und vor allem ausreichend Wasser dabei hatten, ging's in halsbrecherischem Tempo dieselbe Strecke zurück. Es war zwar größtenteils noch trocken, aber die bedrohlichen Wolken, die uns schon am Nachmittag verfolgten kamen immer näher. Dann kamen die Abschnitte mit größeren und tieferen Matschstrecken und es wurde dunkel, dass wir auch mit Fernlicht nur noch sehr schwer den Weg erkennen konnten. Dann höchstens 2 Meilen und wir hätten es geschafft, wäre da nicht die Anhöhe gewesen, auf welcher wir ins Schlittern kamen und uns für eine Übernachtung im Canyon entschieden.

Mal ehrlich, hättet Ihr bei diesem Anblick kehrt gemacht?
Es war bereits dunkel und auch der Mond verschwand hinter einer Wolkendecke. Wir hatten größte Mühe einen höher gelegenen Platz zu finden, welcher nicht gerade in einer Ablaufrinne von Regenwasser war.

Obwohl wir den ganzen Tag kaum was gegessen hatten, hatte keiner Hunger. Wir versuchten die Sitze ein wenig in Liegeposition zu bringen und etwas zu schlafen. Wir beruhigten uns gegenseitig. Immerhin sahen wir noch ein paar Sterne am Himmel, zumindest als wir anhielten. Die Zeit verstrich sehr langsam und obwohl es den ganzen Tag extrem heiß war, kühlte es in der Nacht ganz schön ab und nach einigen Stunden war so kühl, man könnte sogar sagen, es war kalt. Die Sterne verschwanden einer nach dem anderen und es wurde so finster, dass man die Hand vor den Augen nicht mehr erkennen konnte. Nur ganz selten kroch der Mond aus der Wolkendecke hervor und wir konnten wieder was sehen. Er verschwand aber immer wieder innerhalb von Minuten und es dauert ewig, bis er wieder für kurze Zeit hervorkroch.

Bei diesen Tatsachen waren wir allerdings gezwungen umzukehren.
Es war so still, dass man eine Nadel hätte fallen hören. Nicht einmal das geringste Lüftchen schien sich zu bewegen. Jedes Mal, wenn ich kurz vor dem Einschlafen war, hörte ich einen Tropfen oder ich dachte zumindest, dass es einer wäre, der einem Donnergrollen gleich auf das Dach des Autos trommelte. Dann zeigte sich wiederum der Mond, aber immer nur ganz kurz hinter den Bergkuppen. Die Konturen der Berge erschienen immer wieder gespenstisch und verschwanden genauso schnell. Tausend Gedanken rasten durch meinen Kopf, aber einen klaren Gedanken konnte ich nicht fassen.

Es war die längste Nacht des gesamten Urlaubs und obwohl wir beide hundemüde von unseren Eskapaden tagsüber waren, konnten wir nur ganz wenig schlafen.

Dieser Dreck erzählt unsere Geschichte.
Aber hier war sie noch nicht ganz zu Ende,
obwohl wir bereits in Sicherheit waren.
Am nächsten Morgen als es hell wurde, versuchten wir auszumachen wie tief der Dreck tatsächlich war und ob wir überhaupt eine Chance haben diesen zu passieren. Sehr weit kamen wir nicht, denn schon nach kaum 100 Metern waren meine Schuhe so schwer, dass ich meine Beine kaum anheben konnte und Angst hatte selber im Dreck stecken zu bleiben. Bergauf ging die matschige Strecke auch noch und der Dreck wurde immer tiefer und klebriger.

Ich machte Halt und blieb zurück, während mein Partner sich die Anhöhe hinauf kämpfte. Als er hinter einer Kurve verschwand, hörte ich ihn auf einmal reden. Erst dachte ich er redet mit mir, aber ich konnte kein Wort verstehen, dann kam auf einmal eine zweite Stimme hinzu. Kurz danach bog ein riesiger Geländewagen um die Kurve, kam die kleine Anhöhe ganz langsam herunter und blieb kurz vor mir stehen. Als der Fahrer dann ausstieg, traute ich meinen Augen nicht.

Joseph M. David alias Otto Waalkes ... der hätt sein
Zwillingsbruder sein können, nur die jüngere Version
Ich dachte Otto Waalkes' hätte sich hierher verirrt (aber urteilt doch selber). Natürlich war er es nicht, sondern hieß Joe, kam aus Page und war Environmental Protection Specialist (Umweltschutzbeauftragter) in der benachbarten Glen Canyon National Recreation Area, der eigentlich ein Wochenende im Canyon verbringen wollte. Er hat es sich dann doch anders überlegt als er den Dreck gesehen hat, der uns am weiterkommen hinderte. Das Timing war perfekt, denn gerade als er stehenblieb und überlegte, ob er nun weiterfahren sollte oder nicht sah er meinen Partner um die Ecke kommen.

An diesem Tag war seine gute Tat als Pfadfinder uns aus dem Canyon zu helfen. Wir wollten ihn für seine Bemühungen entlohnen, aber für ihn war es einfach nur selbstverständlich zu helfen.

Wir waren äußerst skeptisch und ich wollte erst gar nicht dass er uns abschleppt, nicht dass er auch noch stecken bleibt und wir dann alle festsitzen, denn schon ohne uns im Schlepptau ist sein Auto geschlittert und schaffte es nur mühsam die kleine Anhöhe hinauf. Aber er ließ nicht locker und hat uns schließlich überzeugt, dass er es mit uns schaffen wird und er uns auf gar keinen Fall im Canyon zurücklässt. Und er hat es tatsächlich geschafft und begleitete uns bis hin zum Highway 89, wo wir kaum 24 Stunden vorher in diese wunderbare Landschaft eingebogen sind.

Der Hackberry Creeek bei unserem Abstecher 2012.
 Reingefahren sind wir nicht mehr, einmal reichts darin
zu übernachten, aber wir wollten den Rest der Strecke sehen,
die wir 2010 nicht geschafft haben, weil dieses kleine
Rinnsal so angeschwollen war und das Wasser einfach
nicht fallen wollte.
Dort angekommen war unser Auto nicht mehr zu erkennen. Die Scheibe total zugedreckt, an den Außenspiegeln klebten faustgroße Dreckklumpen, die Reifen hatten nur noch minimalen Abstand zum Dreck innerhalb des Radkastens und in jeder Kurve versuchten sie diesen Abstand ein paar Millimeter zu erweitern. Endlich losgeworden sind wir den Dreck erst in einer Waschanlage in Kanab, aber da bekamen wir einen weiteren Schmutzfilm auf den Lack, bevor wir diesen entfernen konnten.

Roter Schlamm der durch den Regen von den Bergen herunterkam, bedeckte den ganzen Ort mit einer rötlich-braunen Schlamm-Schicht. Mühsam versuchten die Bewohner dem Schlamm wieder Herr zu werden. Wir versuchten dann beide Schlammsorten aus den Radkästen, von den Reifen, den Bremsscheiben und vom gesamten Auto irgendwie runter zu kriegen. Nach etwa 2,5 h konnten wir endlich weiter fahren mit der etwaigen Originalfarbe des Autos.

Fazit nach einer Nacht im Auto ohne genau zu wissen, wann wir den Canyon tatsächlich verlassen können und trotz Handy, mit dem wir aber keinen Kontakt zur Außenwelt hatten - FUNKLOCH - : die intensiven Farben, die bizarren Formen, der strahlend blaue Himmel, die Schäfchenwolken, bis hin zu einem bedrohlichen Dunkelblau am späten Nachmittag lassen keinen Zweifel daran, dass diese Strecke die wohl schönste und abwechslungsreichste unseres gesamten Urlaubs war.

Weitere Bilder von der Cottonwood Canyon Road

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